Verdun 05.–11.09.2010 von Guido Lemke

 

 

 

Nach jahrelangem Vorhaben war es dieses Jahr soweit: es ging für eine Woche nach Verdun.

In der Vorbereitung habe ich diverse Bücher und Internet-Seiten durchforstet, um mich mit der Materie und den „Highlights“ vertraut zu machen und nicht erst vor Ort zu überlegen was man sich (in der Kürze der Zeit) ansieht.

 

An dieser Stelle besonderen Dank an Rene (www.verdunbilder.de) und Stephan (www.hoeni.de) für die vielen und auch sehr detaillierten Tipps und Hinweise zum Thema. Man merkt sofort wer in der Materie steckt und auch schon öfter vor Ort war, z. Bsp. beim Verpflegungs-Thema, oder auch sehens- (bzw. nicht-sehens-)werten Orten und Anlagen.

 

 

Der Schlamm von Douaumont
Der Schlamm von Douaumont

 

Samstag /Sonntag: Anreise, Fort Hackenberg

Endlich war es also soweit: Kühl- und Reisetasche, Laptop und Foto-Technik ins Auto und ab Richtung Urlaub. Mit nem Abstecher ins Saarland ging es am Sonntag über das Tankparadies Luxemburg nach Lothringen zum Artilleriewerk Fort Hackenberg, einer Anlage der Maginot-Linie östlich von Thionville bei Veckring.

Diese Anlage beeindruckt durch ihre Größe gegenüber den mir bereits bekannten Forts Schoenenbourg und Simserhof im Elsass, da sie über 17 Kampfblocks verfügt (Schoenenbourg und Simserhof je 8).

Besonders beeindruckend ist hier während der (auch deutschsprachigen) Führung die Fahrt mit der Schmalspur-Werkbahn und die äußere Besichtigung zweier großer Kampblöcke, einer davon mit funktionierendem Panzerdrehturm.

 

Nach der insgesamt fast dreistündigen Besichtigung ging es dann weiter nach Verdun, wo ich nach ca. 2 Stunden am ETAP-Hotel eintraf. Leider hatte ich vergessen dem Navi die „kürzeste Route“ zu nennen, so dass die Strecke nicht so interessant ablief wie erhofft.

Auf dem Weg zum Hotel gibt es auch schon den ersten (Negativ-)Kontakt zum Reisethema: das ehem. Fort Belrupt (ca. 1,8 km Luftlinie östlich vom ETAP, an der „kürzesten Strecke“ zwischen der N3 und dem Hotel gelegen). Erstens ist die besagte Zufahrt grottig, es sei denn man steht auf Schotter und Enduro-Einlagen. Und dann die heutige Nutzung: ein „Paintball-Tempel“, so die große Überschrift am eingezäunten Geländeeingang – in meinen Augen geschmacklos und makaber.

 

Trotz der augenscheinlich falschen Koordinaten-Angabe von Accor/ETAP zur Lage des Hotels habe ich es „relativ“ einfach und schnell gefunden. Hier mal die von mir (hoffentlich korrekt?) ermittelten Koordinaten zur Hotel-Anfahrt (in einem Gewerbegebiet, und trotzdem erstaunlich ruhig gelegen): N49° 08‘ 52.2‘‘ O5° 24‘ 36.7‘‘

 

Durch die Lage im Industriegebiet sind Dinge wie Einkauf oder Verpflegung auch zu Fuß überhaupt kein Problem.

Auch das Einchecken (ich hatte online zeitig genug vorreserviert, zum Glück wie sich bald zeigte) war trotz Sprachbarrieren kein Problem: mit meinen paar frz. Höflichkeits- und Grundvokabeln, ergänzt durch das gleiche in Englisch, und ähnliche „Perfektion“ der Dame am Empfang war das ganze Prozedere genauso schnell erledigt wie in der Heimat.

Also Auto aus- und das Hotelzimmer eingeräumt, dann ab unter die Dusche und nach nem kleinen Snack mit nem lecker kühlen „Kaliber 05“ vors Laptop gehockt und nochmal die geplanten Punkte für den nächsten Tag beäugt.

 

Montag: Memorial und Pulverkammer Fleury, Froideterre

So soll der Urlaub sein: von einer strahlenden Sonne geweckt geht’s zum lecker (zum Übernachtungspreis separat dazu gebuchten) Frühstück französischer Art: Kaffe, Baguettes und Mischbrot, süße Belags- und Frischkäse-„Konserven“, Joghurt- und Apfelmußbecher - halt ein „petit dejeuner“ (wie wir Franzosen sagen…). Und alles reichlich und nicht rationiert.

 

Danach kleine Planänderung: Eigentlich hatte ich heute ne Stadtrunde durch Verdun und zur Zitadelle geplant zur Übersicht und zum Infos sammeln. Aber da der Wetterbericht für die nächsten 2-3 Tage so komische Wolken mit Tropfen drunter zeigt (was man auch ohne frz. Sprachkenntnisse versteht) wird spontan umgestellt, und ich fahre um 09:00 Uhr aufs östliche Schlachtfeld Richtung Fleury.

 

Auf dem Weg dorthin bekommt man die ersten „Gänsehaut“-Eindrücke: an der Zufahrtstraße D112 findet man im Bereich der ehemaligen Marceau-Kaserne die ersten Kreuze am Straßenrand, und kurz danach die Reste eines alten Beton-Wasserturmes.

Direkt am Parkplatz mit Abzweig zum Fort Souville die ersten Gräben und Krater: frisch gemäht und frei von Baum- und Strauchbewuchs – die Fantasie beginnt sich zu regen (…???).

Kurz danach der nächste Foto-Stopp: der Löwe von Souville, der Punkt des damals weitesten länger währenden deutschen Vordringens nach Verdun, erbaut von den Soldaten der französischen 130. Infanterie Division.

Schlachtfeldnachbildung im Memorial
Schlachtfeldnachbildung im Memorial

Am Memorial, erbaut am ehemaligen Bahnhof von Fleury, gibt es reichlich Parkplätze, und um diese Zeit (Montag früh gg. 09:30 Uhr) ist hier zum Glück (außer nem Bus mit ner jugendlichen Reisegruppe) noch nichts los.

An der Kasse/Info (Eintrittskarte für das Memorial inkl. Film 7,- Euro) konnte ich trotz des bekannten Sprachproblems, welches sich aber mit einer Mischung aus Französisch, Deutsch, Englisch, „Händen und Füßen“ und mit Unterstützung durch meine IGN-Topo-Karte vom Gebiet lösen ließ, die Faltblätter für die im „Militärgeschichtlichen Reiseführer Verdun“ beschriebenen „Fußwanderungen im Großraum Verdun“ bekommen. Diese Faltblätter sind zwar in Französisch, aber die „geschichtliche“ Beschreibung der Routen steht ja im Buch, und die Benennung der einzelnen Routenpunkte erklärt sich fast immer durch das jeweilige Objekt selber.

 

Das o.g. Buch, die genannte IGN-Topo „Forets de Verdun et du Mort-Homme“ im Maßstab 1:25000 und die „Spurensuche bei Verdun“ waren für mich die grundlegenden Quellen für die Tourvorbereitung, unterstützt durch Rene, Stephan und diverse weitere Internetseiten.

Schlachtfeldnachbildung im Memorial
Schlachtfeldnachbildung im Memorial
Blick zum Beinhaus und Frt. Douaumont
Blick zum Beinhaus und Frt. Douaumont

Im Museum sind mir zwei Dinge besonders aufgefallen: viele Übersetzungen in Englisch, weniges in Deutsch. Aber da sich viele Objekte selbst bzw. durch ihre Namen-/Typenbezeichnung erklären hat mich das nicht wirklich gestört.

Und: was dieses von anderen Militärmuseen unterscheidet ist der Mittelraum. Die bedrückend realitätsnahe Nachbildung eines Teils des Schlachtfeldes - wieder ein Moment wo die Fantasie ein Eigenleben entwickelt, nicht unbedingt mit positivem Ergebnis.

 

Für die Besichtigung sollte man mindestens 1 Stunde, mit Film (den ich mir nicht angesehen habe, da es mich nach draußen zog) 30 Minuten mehr einplanen.

 

Wieder im Freien bekommt man plötzlich das erste Mal ein Gefühl für die wirklichen Entfernungen (oder besser: Nähe) der einzelnen Punkte: der Blick geht ungestört über die jeweiligen Täler (mit deren damals tödlichen Schluchten) zum Beinhaus und zum Fort Douaumont – jeweils nur ca. 1,5 bzw. 2,5 km Luftlinie entfernt.

 

Rucksack und Fotoapparat geschultert, und ab geht’s zu Fuß in die Pulverkammer-Schlucht, benannt nach den darin gelegenen ehemaligen französischen Pulverkammern.

Und hier beginnt auch der für diese Region typische Anblick links und rechts der Wege (die man aus Sicherheitsgründen keinesfalls verlassen sollte!!!) und im Wald: eine Landschaft voller Graben- und Kraterreste, nur flüchtig überdeckt durch Wildwuchs und teilweise Neuanpflanzungen.

Wenn man bedenkt, dass diese ehemals waldreiche Region zum Ende keinen Baum und Strauch mehr aufwies…

Unterwegs gibt es (trotz Schweiß beim Schluchtaufstieg bei 20°C) wieder reichlich Fantasie-„Futter, so z. Bsp. an den „Pulverkammern“ und den „Vier Schornsteinen“.

 

Aber es gibt ja bekanntlich immer noch ne Steigerung, und das gilt auch für das Gefühlsleben

So geschehen bei der Ankunft an der Stelle des ehemaligen Fleury, eines von neun völlig zerstörten Dörfern (Villages detruits), die nicht wieder aufgebaut wurden: in einer Kraterlandschaft kleine weiße Säulen, welche die Verläufe der ehemaligen Dorfstraßen anzeigen. Und dazwischen überall kleine Gedenksteine mit der Beschreibung welches Gebäude damals an Stelle der jetzt vorhandenen Krater stand. Ein ganzes Dorf pulverisiert - einfach unvorstellbar!

 

Für diese Runde zu Fuß benötigt man lt. Wanderweg-Beschreibung ca. 1,5 Stunden reine Wegezeit, reell waren es mehr als 2 Stunden bei ca.7 km Wegstrecke.

 

Nach einer kurzen Stärkung und Erfrischung geht es zum Parkplatz am Beinhaus, um von dort der Froideterre-Rundweg zu erkunden.

Dabei geht es gefühlsmäßig Schlag auf Schlag: die nur noch zu erahnenden Reste der Ouvrage Thiaumont und deren gesprengte Panzerglocke, die umgebende biotopartige Kraterlandschaft, die Reste von P.C.118, 119, 120, die betonierten Gräben X und Y, die Ouvrage Froideterre,… Man kann und will sich nicht vorstellen, wie es damals hier aussah und was sich hier abspielte.

 

Nach ca. 2,75 Stunden und ca. 7,5 km (empfohlene reine Gehzeit ca. 1,5 Stunden) zurück am Parkplatz versuche ich erst mal wieder Fantasie und Gefühle zu normalisieren. Allerdings gar nicht so einfach bei der Umgebung: der Parkplatz ist direkt am Beinhaus, wo die Gebeine von ca. 130.000 nicht identifizierten Toten aufbewahrt werden, von außen durch kleine Fenster einsehbar. Und auf dem Freigelände davor ein riesiger Friedhof mit weiteren 15.000 Gefallenen...

 

Für diesen ersten Tag waren das genug der Eindrücke. Also zurück Richtung Hotel und unterwegs noch bei ALDI den täglichen Verpflegungs-Einkauf.

Im Hotel erst mal duschen, dann geht’s mit fester und flüssiger Stärkung ans Lappi: Fotos kopieren, ordnen und beschriften, die Tracks vom GPS ziehen und zur Auswertung bearbeiten.

 

Und ohne eine Minute den im Zimmer vorhandenen Fernseher, u.a. auch mit ARD, ZDF und Sat1, genutzt zu haben geht’s ab in die Waagerechte.

 

Dienstag: Beinhaus und Fort Douaumont, Bajonett-Graben, Ornes, Bezonvaux

Nach einer regnerischen Nacht verspricht der Tag auch nicht besser zu werden: 13°C und Nebel – da muss ich wohl wieder umdisponieren.

Also geht’s als erstes zum Beinhaus, darin ist man wenigstens im Trockenen.

 

Auf dem Weg dorthin mache ich noch einen kleinen Foto-Abstecher zum Ort Vaux, dann geht es wieder durch die Schlucht den Berg hoch zur Souville-Kreuzung und zum Beinhaus.

Dabei kommt mir in den Sinn, dass ich auch hier, trotz aller Unscheinbarkeit, mitten in einem der damals am härtesten umkämpften Bereiche bin…

 

Schon von außen ist das Ossuaire de Douaumont ein imposanter Bau, der aufgrund seiner Lage auf dem Thiaumont-Rücken von weitem zu sehen ist - wenn er nicht wie heute im Nebel verschwindet.

Als erstes führt der Weg zur obligatorischen Kasse: 4,- € sind für die Besichtigung inkl. Turmbesteigung und den ca. 20 minütigen Film fällig. Und: Fotografieren im Beinhaus ist verboten!

 

Leider bringt die Turmbesteigung an diesem Tag außer nem leichten Schweißausbruch (habe die Stufen nicht gezählt, aber bei 46m Turmhöhe kommen einige zusammen) nichts an Aussicht, der Nebel lässt nicht mal einen Blick bis zum davor liegenden französischen Nationalfriedhof zu.

Also geht’s, zur Freude des „Drehwurms“, die gewundene Treppe wieder abwärts, und ich nehme mir noch ein paar Minuten für die kleine Ausstellung, bevor der Film über das Beinhaus und dessen Geschichte und die seiner Umgebung beginnt.

 

Nach ca. einer Stunde im Beinhaus beginnt die Fantasie wieder zu arbeiten: das im Film gehörte und gesehene, das Wissen um die um mich herum in den Gruften liegenden Gebeine dieser 130.000 unbekannten (weil vor lauter Zerstörung nicht identifizierbaren) Toten, welche man durch die Fenster auf der Rückseite in den Knochenkammern sehen kann… es gibt wahrlich schönere Vorstellungen. Und irgendwie passt dieses regnerische und nebelige Wetter dann doch wieder – wenigstens zu den Gefühlen an diesem Ort.

 

Anschließend geht es zum nahegelegenen Fort Douaumont – oder besser was davon übrig ist.

Auch hier eine riesige Kraterlandschaft, die zusätzlich durch den Nebel etwas Gespenstiges an sich hat.

Um dem Wettergott Zeit für eine Wetterbesserung zu geben suche ich mir den Weg zum Eingang, um mir das Innere anzusehen.

Der Zutritt erfolgt durch ein ehemaliges (erweitertes) Fenster der Kehlkaserne, der Eintritt kostet 3,- €. Man erhält eine zweiseitige Beschreibung der wichtigsten Besichtigungspunkte in der gewünschten Landessprache, und schon kann der Rundgang beginnen.

 

Auf die Geschichte, die technischen Daten und Beschreibungen der Anlage und ihrer Bewaffnungen verzichte ich hier, da man alleine darüber ein Buch schreiben könnte (was auch schon mehrfach geschehen ist, wie man im Souveniershop sehen kann). Nur so viel: trotz vorheriger ausgiebiger Info durch diverse Bücher, Internetseiten und Videos war ich von der Realität überwältigt. Insbesondere von dem deutschen Soldatenfriedhof im Bereich der westlichen Ringstraße: dort sind, nach der Explosion eines Handgranatenlagers, die Leichen von 679 deutschen Soldaten in zwei der Frontwall-Kasematten bestattet: da es nicht möglich war sie aus der Fort zu schaffen wurden diese Eingänge für alle Zeiten zugemauert.

 

Nach ca. 1 Stunde verlasse ich, nachdem ich noch ein Büchlein zur Beschreibung des Forts gekauft habe, das Innere in der Hoffnung auf eine Wetterbesserung. Aber davon kann ich mich wohl für den Rest des Tages verabschieden.

Also geht’s mit stark eingeschränkter Sicht auf die Reste vom Dach der Anlage. Und auch hier bewirkt der Nebel eine Verstärkung des unheimlichen Gefühls bei den Gedanken an die damalige Zeit.

 

Inzwischen sagt mir mein Magen es ist Mittag, also ab zum Auto für einen Imbiss. Aber wenn man Früh vergisst seine Marschverpflegung ins Auto zu packen ist halt Schmalhans Küchenmeister.

Daher zurück nach Verdun, um mich schnell bei Aldi zu versorgen.

Aber auch das kann ja nur schief gehen: wir sind schließlich in Frankreich, und dort ist auch bei Aldi die Mittagspause heilig.

Zum Glück ist gleich daneben ein Kebab-Stand, und so lasse ich mir für 3,80 € einen Döner a la France schmecken. Und geschmeckt hat er wirklich.

 

 

Der Schlamm von Douaumont
Der Schlamm von Douaumont

Danach will ich bei inzwischen tollen 15°C und teilweisem Starkregen zum Dorf Douaumont. Und da heute mein „Glückstag“ ist bleibt es beim Wollen: das Gelände nördlich vom Dorf und Fort Douaumont in Richtung Ornes wird vom französischen Militär als Übungsgebiet genutzt. Dass dort Montags und Dienstags Schießübungen durchgeführt werden und deshalb die Straße und damit auch das Dorf Douaumont gesperrt ist, erfahre ich erst hier: durch die entsprechenden Schilder und rot blinkende Sperrbalken kurz vor dem Ort. Und wir haben heute: Dienstag…

 

Da es gerade mal wieder nicht regnet fahre ich weiter zum Bajonett-Graben.

Auch ohne die (egal ob die wahre oder die legendenhafte) Geschichte vermittelt dieser Ort ein beklemmendes Gefühl: hier wurden am 12.06.1916 Angehörige des 137. frz. Infanterie-Regiments verschüttet - und sie sind es immer noch! Leider haben weder der Respekt vor den Toten noch die Stacheldraht-Absperrung „Souveniersammler“ davon abhalten können, die ehemals herausschauenden Bajonette zu entwenden.

 

Der plötzlich einsetzende Starkregen verkürzt meinen Aufenthalt schlagartig, und ich schaffe es gerade noch den Fotoapparat trocken ins Auto zu bringen.

Während ich im Auto den Platzregen „genieße“ und überlege wie ich bei dem Wetter den Rest des Tages gestalte, fällt mein Blick auf die andere Straßenseite: dort verläuft parallel die „Todes-Schlucht“, Ravin de la Mort. Dieser für die Franzosen wichtige, weil als Schlucht besser gedeckt als freies Gelände, Anmarschweg wurde von deutschen MG’s monatelang unter Feuer gehalten…

 

Weiter geht es nach Ornes, ebenfalls einem Village detruit. Unterwegs schreibe ich im Auto noch schnell ein paar Ansichtskarten für die „zurückgebliebenen“ daheim, ohne zu wissen wo und wann ich einen Briefkasten finde (hoffentlichsspätestens bei meiner noch offenen Fuß-Runde durch Verdun die nächsten Tage).

Da in Ornes außer einem Gedenkstein mit Brunnen an der Stelle der ehemaligen Dorfkirche nichts zu entdecken ist, will ich weiter nach Louvemont, habe aber auch hier die Rechnung ohne das französische Militär gemacht: die gleiche (Sperr-)Geschichte wie in Douaumont.

 

Inzwischen hat der Regen wiedermal aufgehört, und so beschließe ich die 2 km nach Bezonvaux zu fahren, welches als Village detruit sehenswerter als Ornes sein soll.

Dort empfängt mich ein Gefühl wie in den Resten von Fleury, allerdings auch der wieder eingesetzte Regen. Und da somit eine (Foto-)Besichtigung ausfällt ist das auch das Ende des heutigen Tages-Programms. Auf jeden Fall reicht das wenige hier gesehene aus für den Entschluss, bei besserem Wetter noch einmal mit ausreichend Zeit herzukommen.

 

Auf dem Weg zum Hotel noch der obligatorische Aldi-Abstecher, und dann klingt der Tag nach dem Duschen und Essen vor Rechner und Kamera aus.

 

Mittwoch: Les Eparges, Mort-Homme, Höhe 304, Vauquois, Bezonvaux

Der Tag beginnt bei kühlen 16°C, aber wenigstens trocken. Da auch für heute mit Regen zu rechnen ist entscheide ich mich nochmal für eine Rundfahrt über das östliche und westliche Schlachtfeld, beginnend bei Les Eparges.

 

Auf dem Weg dorthin suche ich den ehemaligen deutschen Posten an der D3, aber an dessen Stelle ist nur noch ein Haufen Abbruchsteine zu finden.

 

Auf dem Weg vom Ort zur Combres-Höhe passiert man einen frz. Soldaten-Friedhof und mehrere frz. Monumente bzw. Gedenksteine. Und mit zunehmender Höhe häuft sich auch die Zahl der Minenkrater: Deutsche und Franzosen strebten damals den vollen Besitz dieser strategisch wichtigen Höhe an, von der aus der Blick weit in die östliche gelegene Woevre-Ebene reicht.

 

Der Weg endet kurz vor dem „Punkt X“, von wo aus sich der genannte Blick bietet: es ist trotz der diesigen Sicht ein imposanter Anblick in diese weite Ebene, der einen im ersten Augenblick die Geschichte dieser Höhe vergessen lässt.

Aber sobald man sich umdreht und den Rundweg beginnt erinnern einen die Krater wieder an die Kämpfe, die hier von 1915 bis 1918 stattfanden. Und dazu gehörte auch der unterirdische Minenkrieg, wovon die Kraterkette auf der Höhe zeugt. Insbesondere das (vermutlich größte?) Kraterloch von der französischen Mine im Februar 1915 beim „Punkt C“, wohin die frz. Angriffe aus Richtung des o.g. jetzigen Soldatenfriedhofes erfolgten.

Fast direkt daneben steht das „Hahn-Denkmal“ zur Erinnerung an die 12. frz. Infanterie-Division.

 

Auf dem (von mir abgekürzten) Weg passiert man u.a. die Reste eines ehemaligen dt. Verbandsplatzes an einem alten Bunker. Den Abstecher zum Kronprinzenbunker erspare ich mir, dafür gibt es ja das Auto. Und so geht’s, zwischen immer wieder am Wegrand auftauchenden Relikten, am (ehemals dt.) Osthang der Höhe zurück zum Parkplatz, immer mit dem Blick durch die Bäume auf Combres und die Woevre-Ebene.

 

Für diese (kurze) Runde um die Höhe sollte man 1 Stunde bei ca. 2 km einplanen.

 

Mit besagtem Abstecher geht’s noch zum Kronprinzenbunker, einem offen und leer stehenden deutschen Betonunterstand an der Straße nach Combres.

 

Über Verdun geht es zurück und weiter in Richtung westliches Schlachtfeld, nicht ohne einen Zwischenstopp an der Boulangerie in Bras-sur-Meuse: Danke für den Tipp! Dort gibt’s u.a. die leckersten Pizza-Zungen wo gibt, und so groß, dass jede in einer separaten A4-Tüte steckt. Und das Ganze für 3,- € das Stück – na dann: Mahlzeit.

 

Bei einem Mix aus Sonne und Regen geht es weiter zum „Toten Mann“ Mort-Homme und zur „Höhe 304“ Cote 304. Dort habe ich mich aber kaum aufgehalten, da die Witterung und die aufgeweichten Waldwege keine Einladung zu weiteren Exkursionen waren. Zum Glück ist mittlerweile alles wieder bewaldet, so dass der fehlende Blick auf das umgebende ehemalige Schlachtfeld und nach Verdun die Fantasie in Grenzen hielt. Diese Punkte hebe ich mir für meinen nächsten, dann hoffentlich trockeneren, Besuch auf.

 

Der Weg nach Vauquois verläuft, von einzelnen kleinen Bunkerbauten am Wegrand abgesehen, unspektakulär und man kann gedanklich abschalten und die Landschaft genießen.

 

In Vauquois erinnert nichts daran, was sich hier einmal abgespielt hat, wenn es nicht die Hinweisschilder zur Butte Vauquois, den „Kratern von Vauquois“ gäbe.

Ihnen folgend erreicht man einen kleinen Parkplatz am Rand eines bewaldeten Hügels. Das dortige vergitterte Stollen-Tor und die am Rand gelagerten Reste ehemaliger 60cm-Schmalspurgleise sowie dazu passende Artillerie-Wagons lassen es mir dämmern: hier hatte ich doch was vom Minenkrieg gelesen?

 

Ohne die Info-Tafel genauer zu beachten folge ich den Stufen aufwärts in das Wäldchen, jedoch nicht dem Wegweiser nach direkt zum Monument, sondern rechts abbiegend zum „Secteur Francaise“ am südlichen Hang. Dort geht es vorbei an diversen (verschlossenen) Stollen-Eingängen, u.a. führen auch o.g. Schmalspurgleise und verzinkte Stromleitungen hinein.

Auf dem Hügel angekommen, entdeckt man links vom Monument, umgeben von Kratern zwischen Stacheldrahtverhauen und einem offenen Stollen- bzw. Schachtzugang, ein Schild: der Standort des Rathauses vor 1914…

Als ich vom Monument aus die wirklich riesigen Krater nach links und rechts verteilt über die ganze (ehemalige) Hügelkuppe sehe, wird mir klar: das Vauquois welches ich durchfahren habe, ist nicht das von damals! Jenes stand vor 1914 hier oben auf dem Hügel!

Im September ´14 wurde es von deutschen Truppen besetzt, u.a. da sich der Hügel zur Artilleriebeobachtung eignete.

Zusätzlich zu den beidseitigen Stellungs- und Grabensystemen am und auf dem Hügel, von denen aus sich beide Seiten blutige Kämpfe um die Ruinen des ehemaligen Dorfes lieferten, wurde der Kampf ab 1915 auch unter die Erde verlegt. Dabei wurden von beiden Seiten Stollen und Gegenstollen durch den ganzen Berg getrieben, die auch für den Minenkrieg genutzt wurden. Die größte Mine wurde am 14.5.1916 von den Deutschen gezündet: 60.000 kg!!!

Insgesamt wurden mehr als 300 Minen gezündet, die den Ort vollständig verschwinden und diese riesige Kraterlandschaft entstehen ließen – welch ein Horror-Szenario!

Beim Rundgang um die ehemalige Kuppe kann man Teile des massiven deutschen Stellungs- und Grabensystems besichtigen, wobei nur noch die Geräuschkulisse fehlt um automatisch den Kopf einzuziehen und in den Stollen in Deckung zu gehen…

 

Wieder am Parkplatz angekommen, entdecke ich auf der Info-Tafel einen sehr aussagefähigen Lageplan vom Hügel, auch mit der Lage von ehemaligen Dorfbebauungen. Also das Ganze fotografiert und noch eine Runde, diesmal mit und nach Plan – aber nur gedanklich.

Denn der „Herr der Wasserhähne“ meinte wohl, es sei lange genug sonnig und trocken gewesen. Also im Schnellschritt zum Auto und vor dem einsetzenden Platzregen in Deckung gegangen – bis nach wenigen Minuten alles vorbei ist als wäre nichts geschehen.

Da die Wege jetzt aber wohl reichlich rutschig und aufgeweicht sein dürften, beschließe ich den Aufbruch und vertage alles: so habe ich einen Grund mal wieder hierher zu kommen.

Und außerdem will ich ja noch nach Bezonvaux, hoffend dort Glück mit dem Wetter zu haben.

 

Auf dem Weg nach Bezonvaux erinnert nichts mehr an den Starkregen von eben, nur in den Tälern „kochen die Häschen Kaffee“.

 

Ach ja: die Runde dauerte ca. 1,5 Stunden bei 1,5 km.

 

In Bezonvaux habe ich Glück mit dem Wetter: die eine Regenwolke ist gerade durch, und die nächste lässt auf ungestörte Besichtigung hoffen.

Aber wo beginnen: am kleinen Parkplatz an der Kapelle, oder an der Info-Tafel am Bach vor der ehemaligen „Grand Rue“?

Es ist hier mindestens so beklemmend wie in Fleury: weiße Säulen und Straßenschilder zeigen in einer Kraterlandschaft den ehemaligen Straßenverlauf. Und auf kleinen Gedenksteinen stehen die Namen der Häuser, die früher an Stelle der jetzigen Trichter und Steinhaufen standen. Dazwischen immer wieder Betonplatten mit beschrifteten Bodenfunden.

Zwei Dinge fallen besonders auf: die Seite des Baches vor und neben der Kirche ist (fast) frei von Bäumen bis zum Waldrand und frisch gemäht, die andere Seite, wo die meisten Häuser standen und der Rundweg verläuft, ist baumbewachsen – ein eigenwilliger Anblick, der nicht dazu beiträgt die Fantasie zu bremsen. Wie fühlt man sich wohl, wenn man nicht nur sein Hab und Gut, sondern auch seinen Grund und Boden, ja sogar seinen Heimatort auf diese Art unwiederbringlich verliert? Ob das Überleben ein Gefühl der Freude ausgelöst hat? Fragen über Fragen, die ich mir nicht beantworten kann – und vielleicht auch gar nicht möchte.

 

Nach 1 Stunde holt mich der Regen in die Realität zurück und ich beende mein heutiges Tagesprogramm.

Zurück zum Hotel, natürlich das Verpflegungs-Depot nicht vergessen, und dann heißt es Dusche, Rechner, GPS und Kamera.

 

Donnerstag: Verdun

Es ist bewölkt bei 15°C, aber wenigstens trocken. Und obwohl Regen angekündigt ist entscheide ich mich für Verdun zu Fuß.

 

Verdun liegt an der Maas (= Meuse), im Departement Meuse in Lothringen. Paris ist ca. 260, Metz 80 und Nancy 90 km entfernt.

Hier findet man altes und neues direkt nebeneinander. Kein Wunder, immerhin war Verdun im 4. Jahrhundert bereits Bischofssitz.

Im 16. Jahrhundert begann man aufgrund der Lage mit dem Bau von Befestigungsanlagen, was bis zum 2. Weltkrieg anhielt. Trotzdem wurde die Stadt 1916 bei der Schlacht um Verdun fast völlig zerstört und 1944 beschädigt.

Man könnte stundenlang über Details berichten. Nur so viel: hinfahren und ansehen! Es ist garantiert für jeden was dabei in dieser Mischung aus alt und neu.

 

Über die Audio-Visuelle Führung per E-Car in der Zitadelle kann man sicher geteilter Meinung sein, genauso über den Preis von 6,- € für die 20 Minuten (Anstehen bis zum Aufruf für die deutschen Gäste nicht mitgerechnet; dafür hatte ich einen Wagen für normal 6 Personen für mich alleine – da haben die einheimischen Rentner nicht schlecht geschaut  ).

 

Auf dem Rückweg zum Hotel durch die alten Gassen sprang mich zur besten Mittagszeit in der Auslage eines gemischten Bäckers und Fleischers eine Pizza-Zunge an. Und da Preis und Größe o.k. erschienen war der Entschluss schnell gefasst. Immerhin deutlich billiger als ein Menü am Kanal, was mir auch zu reichlich gewesen wäre.

Die Enttäuschung kam schlagartig und zweimal: statt der ausgeschriebenen 3,- € waren 3,80 € fällig (Außer-Haus-Preis?), und beim Essen kam dann der Geschmacks-Schock – oder war ich von Bras-sur-Meuse zu sehr verwöhnt? Egal: der Hunger treibt‘s rein, der Ekel runter, und der Geiz behält‘s drin. Ärgerlich war nur, dass an der nächsten Ecke am Kebab-Stand das Menü mit Kebab, Pommes und nem Getränk auch nur 5,- € kostete. Und es roch so lecker…

 

Nach 4,5 Stunden und 9 km schaffte ich es gerade noch vor den großen schwarzen Wolken ins Hotel. Kaum auf dem Zimmer fing es auch schon wieder mit Regnen an. Aber positiv denken: alles was bisher und heute runter geht, kann morgen nicht mehr gefährlich werden. Denn dann ist der letzte Tag für diese Urlaubs-Woche hier vor Ort, und ich habe noch zwei Ziele zu Fuß:

den Douaumont- und den Souville-Rundweg.

 

Am Nachmittag versuche ich mit dem Auto noch einige Objekte zu erreichen, aber z. Teil leider erfolglos: die Ouvrage Eix ist wg. Schlagbaum-gesperrter Wege nicht zu erreichen; das gleiche für den Osteingang des Tavannes-Tunnels, hier kommt man nur bis zum Monument der 1944 von der Gestapo erschossenen 44 Franzosen.

Am Fort Vaux mache ich zwischen den Regenwolken ein paar Außenaufnahmen, genauso wie am Waldparkplatz an der „Batterie du Tunnel“.

Dann beendet das Wetter den Tag von sich aus, und ich füge mich

 

Freitag: Douaumont- und Souville-Rundweg

Trotz Nebel und kühlen 10°C bleibe ich bei meinem Plan: heute geht’s nochmal ausgiebig zu Fuß ins Gelände.

Und als wenn der „Wetter-Chef“ ein Einsehen hat löst sich ab dem Souville-Parkplatz der dichte Nebel auf. Trotzdem bleibt es noch trübe, was sich aber später auch ändert.

 

Unterwegs noch schnell mit ausreichend Verpflegung versorgt, parke ich am Memorial Fleury und wechsel auf Rucksack und Kamera. Und zur Sicherheit tausche ich meine Wanderschuhe gegen stabile Gore-Tex Einsatzstiefel, was sich bei den kommenden Boden- und Wegeverhältnissen als unbezahlbar herausstellen wird.

 

Über den alten Bahndamm der damaligen Maas-Bahn „Tacot“, die Verdun u.a. mit Fleury (auf dem Gelände des ehemaligen Bahnhofs befindet sich jetzt das Memorial) und Montmedy verband, geht’s in Richtung Douaumont.

 

Unterhalb des Beinhauses trifft man auf die ersten Spuren: den „Abri 320“, von den Deutschen als „M-(unitions)Raum 372“ bezeichnet. Ein gespenstiger Anblick bei der immer noch trüben Sicht mit dem schemenhaften Beinhaus und dem Nationalfriedhof im Hintergrund.

 

Ab dem Abzweig vom Friedhof zum Fort Douaumont reihen sich die Relikte aneinander: nach wenigen hundert Metern kommt man zu den Resten des „Abri TD 2 Adalbert“ (TD für den Bereich Thiaumont-Douaumont). Dort nutze ich die Gelegenheit mich der inzwischen hervorgekommenen Sonne und den damit verbundenen Temperaturen angepasst umzuziehen.

 

Kurz danach stößt man auf den „Boyau de Londres“ (Londoner Laufgraben), welcher die Höhen von Belleville über Froideterre und Abri 320 mit Dorf und Fort Douaumont verband. Um Einstürze zu verhindern waren dieses Laufgräben mit Stahlbeton und Zementplatten verstärkt, was man heute noch gut erkennen kann.

 

Weiter geht es, vorbei am ehemaligen „Abri TD 3“ und diversen Gedenksteinen, zum Fort Douaumont. Dabei kann man die Krater- und Grabenreste in den Wäldern nicht übersehen, auch wenn vieles inzwischen wieder be- und überwachsen ist.

 

Am Fort Douaumont angekommen erkennt man bei klarer Sicht (gegenüber dem Nebel-Anblick am Dienstag) erst mal die Größe alleine der Kehlseite – beindruckend.

Aber als erstes will ich heute mein Glück im Ort versuchen. Allerdings geht schon der erste Versuch schief, und ich verpasse (wenn auch nur knapp) den richtigen Abzweig. Stattdessen lande ich im westlichen Wallgraben und kehre an der linken Grabenstreiche wieder um.

Beim 2. Anlauf klappt’s dann auch mit dem richtigen Weg. Und der gibt mir einen „Ausblick“ auf die noch zu erwartenden Wegeverhältnisse: alles Matsch, und man läuft wie auf Eiern. Hier bin ich das erste Mal froh über meine Schuh-Wahl.

 

In Douaumont, oder besser dessen Resten, der gleiche bedrückende Anblick und Eindruck wie in Fleury und Bezonvaux: ein förmlich in einer Kraterlandschaft versunkener Ort, mit ehemals 288 Einwohnern, komplett vom Erdboden verschwunden!

An Stelle von Straßen und Gebäuden nur die bekannten Hinweis-Tafeln zwischen den Kratern, ein Gedenkstein wo einst der Brunnen stand, und eine neue Kapelle an der Stelle der nicht mehr vorhandenen. Auf einem großen Steinsockel eine Betonplatte, in die der ehemalige Straßenverlauf und die Lage zum Fort „graviert“ ist – nichts davon mehr vorhanden…

 

Um mich etwas „abzulenken“ gönne ich mir auf dem Rückweg zum Fort einen kleinen Imbiss aus dem Rucksack, dann geht’s an die nächste Etappe.

 

Auf Höhe der vorhin fälschlicherweise schon mal erreichten linken Grabenstreiche versuche ich „unbehelligt“ über den kurzen, aber umso rutschigeren Hang in den ehemaligen Wallgraben zu gelangen, was mir nach einigen Schweißtropfen auch gelingt. Ein Abrutschen oder Sturz wären hier mehr als unangebracht: a) wegen den sehr wahrscheinlichen Schäden an der Foto-Technik; und b) wegen der Gesundheit: wohin man auch blickt, überall sieht man die teuflisch gefährlichen „Schweineschwänze“ und andere Infanterie-Sperren und –Hindernisse bzw. deren „gut getarnte“ Reste aus dem Boden ragen.

Beim Weg um und über die Reste der ehemals stärksten Befestigungsanlage um Verdun bekommt die Fantasie wieder genug zu tun: die immer noch erkennbare Größe des ehemaligen Wallgrabens mit seinen Grabenstreichen; das von Granaten zu einer Kraterlandschaft umgepflügte Dach des Forts mit seinen Panzertürmen und –kuppeln; die Front der Kehlkaserne; den Aufbau aus gemauertem Bruchstein, Beton und Erddeckung; usw…

Mit Hilfe des, bei meinem Besuch im Inneren vor drei Tagen, erworbenen Büchleins gelingt wenigstens ein grober Überblick mit Zuordnung der einzelnen Objekte.

Und man erhält von hier oben einen Blick über besagten Schießplatz der französischen Armee – irgendwie makaber diese „Verbindung“ von alt und neu.

 

Vorbei an den Resten des „Ostturms“ (ehemals für 2x 75 mm Schnellfeuerkanonen gedacht aber nie eingebaut) geht es wieder ins Gelände. Dabei entschuldige ich mich wiederholt bei meinen Stiefeln und der Hose: wassergefüllte Lehmpfützen, so breit wie der Weg und zu lang zum überspringen. Also Augen zu und durch. Ich kann ja abends im Hotel die Hose in die „Ecke stellen“ und die Stiefel in der Dusche versenken – die armen Kerle damals konnten es nicht. Dafür hatten sie reichlich Beschuss von oben und allen Seiten, und Gas- und Leichengeruch um sich herum – gut es nie kennengelernt zu haben!

 

Auf den angelegten Waldwegen, neben den parallel verlaufenden Schluchten durch die sich damals gekämpft wurde, geht es an den Fragmenten einer Artillerie-Batterie in der Kasematten-Schlucht, Reste des von Fleury kommenden ehemaligen Bahndamms und den ehemaligen „Dreieckswald“ (Bois Triangulaire) zurück Richtung Memorial-Parkplatz.

Dabei musste ich feststellen, dass von den auf der Rundweg-Karte als Nr. 11 eingetragenen Resten deutscher Unterstände nichts mehr auffindbar ist.

Beim letzten Anstieg bieten sich reichliche Gelegenheiten, beim Blick zum Memorial und über die Bazil- und die Dreieckswald-Schlucht zum Beinhaus die Fantasie „frei laufen“ zu lassen.

 

Diese komplette Runde von 12 km benötigt etwa 4,5 Stunden.

 

Nach einem etwas ausgiebigeren Picknick am Auto geht’s trotz schmerzender Füße und Waden (kein Wunder bei dieser „Eierlauferei“) weiter in Richtung „Souville-Löwe“ zum Fort Souville.

Dabei kann ich das erste Mal meine Stiefel im Gehen „waschen“, so nass ist hier alles durch das Grundwasser und den Regen der letzten Tage.

 

Nach Überqueren der Straße Richtung Verdun steigt der Waldweg an bis zu einer Pamard-Kasematte, einem 15,5-cm-Geschützturm und einer gepanzerten Beobachtungsglocke, alles zum Fort Souville gehörend von dem hier noch nichts zu sehen ist.

Das umliegende Gelände mit seiner von Gräben durchzogenen Kraterlandschaft lässt nur erahnen, wie stark dieser Bereich umkämpft war.

 

Bei den Pamard-Kasematten (Casemate Pamard) handelt es sich um standardisierte kleine zweistöckige MG-Kampfräume für zwei Hotchkiss-MGs. Sie bestehen aus Stahlbeton mit einer eigentümlichen Panzerplatte mit Doppelschießscharte, was an einen Elefantenkopf bzw. -Rüssel erinnert.

 Auf dem weiteren, teilweise leider sehr schlecht ausgeschilderten Weg durch den Wald passiert man u.a. die Munitionsnischen einer ehemaligen ungedeckten Artillerie-Batterie.

Kurz vor dem „Kriegseingang“ des Forts passiert man ein in den Berg gebautes befestigtes Munitionslager – und die inzwischen „vertrauten“ Krater- und Grabenreste links und rechts im Wald.

Übrigens: das „Kältephänomen“ kann ich bestätigen: bei der Annäherung an den Kriegseingang gibt es einen Punkt, ab wo man das Gefühl schlagartiger Abkühlung der Umgebungsluft hat – kann einen schon auf mulmige Gedanken bringen bei diesem Umfeld…

Leider verpasse ich den Abzweig über den „Steinbruch-Verbindungsgraben“, einen immer noch gut erkennbaren, ehemals gedeckten 1-2 m tiefen Schützengraben von der Marceau-Kaserne über Fort Souville bis Fort Vaux. Sein gewundener Verlauf verhinderte einen Längsbeschuss.

 

Auf dem Rückweg über die Verbindungsstraße Thiaumont – Fleury – Tavannes kommt man an zwei weiteren Pamard-Kasematten und einer sehr informativen Hinweistafel zum Fort und seiner Geschichte vorbei.

 

Nach fast 2 Stunden und 4,5 km bin ich froh wieder am Auto zu sein.

Den Versuch, die Stiefel vom Lehm des Tages zu befreien beende ich als „untauglich“ und bin froh, aufgrund meiner morgendlichen Idee ein sauberes Paar Schuhe für die morgige Heimfahrt dabei zu haben.

 

Während der Rückfahrt zum Hotel beschließe ich, dem „Herrn der Wasserhähne“ als Dank für diesen trockenen und ab Mittag auch reichlich sonnigen Tag am heutigen letzten Abend ein kleines „Bieropfer“ zu bringen. Also unterwegs noch die entsprechenden Einkäufe erledigt (ohne Rücksicht auf die meinen Stiefeln und der Hose geltenden „Mitleidsblicke“) und dann endlich ins Hotel und unter die Dusche.

 

Beim anschließenden Genuss der französischen „Spezialitäten“ und dem „Bieropfer“ stelle ich fest: 5 Tage Verdun haben sich komplett gelohnt, allerdings gibt es vieles was nach einer „Neuauflage“ ruft!

 

Also heißt es am nächsten Morgen wortwörtlich: Au revoir – Auf Wiedersehen!

Dann geht es über Luxemburg wieder gen Heimat.

Rene Reuter Verdunbilder Guido Lemke
Regenbogen zum Abschied

 

Ergänzung:

Als vorbereitende (und z. Teil begleitende) Karten und Literatur habe ich folgende genutzt:

 

 

  • Spurensuche bei Verdun: Ein Führer über die Schlachtfelder von Kurt Fischer, Stephan Klink

 

  • Verdun von German Werth

 

  • IGN-Topo-Karte „Forets de Verdun et du Mort-Homme“ im Maßstab 1:25000

Statt wie ich einzelne Eintrittsgelder in Höhe von insgesamt 20,- € zu zahlen sollte man sich lieber vorher an der Tourist-Info den „Museen und Denkmäler Pass – Verdun 14/18“ für 18,50 € holen. Darin enthalten sind die Besichtigungen der Zitadelle, der Forts Douaumont und Vaux, dem Memorial und dem Beinhaus.