Kurztrip

 

Ieper-Ypern - In Flanders fields 2010”

 

In den vergangenen Jahren hatten zahlreiche Besuche der Schlachtfelder bei Verdun mein Interesse für den 1. WK geweckt.

Im Mai 2010 verbrachte unsere Familie einem Kurzurlaub an der belgischen Küste bei Oostende. Da die Stadt Ypern nur ca. 35 km von unserem Ferienhaus entfernt lag, nutzte ich an einem Regentag spontan die Gelegenheit diesen anderen "großen Namen" der Geschichte des 1. Weltkrieges aufzusuchen.

Ypern zählt heute ca. 36.000 Einwohner und war nach Ende des 1.WK total zerstört,

die 1.000-jährige Geschichte wurde in nur 4 Kriegsjahren komplett ausgelöscht.

Ab 1920 wurde die Stadt im historisch alten Stil wieder aufgebaut.

Heute erkennt man keine "Narben" des Krieges im Stadtbild,

die Patina der vergangenen 90 Jahre auf den historischen Fassaden trägt auch dazu bei,

dass ohne Kenntnis über die Stadtgeschichte nicht erkannt werden kann,

dass hier vor nicht einmal 100 Jahren alles in Trümmern lag.

Ich wusste nicht viel über Ypern (flämisch "Ieper"). Nur soviel, dass dort gleich zu Beginn des 1.WK fürchterliche Schlachten tobten und das in dieser Region weltweit zum ersten Mal (genau : am 22.April 1915) Giftgas als Waffe auf dem Schlachtfeld eingesetzt wurde. Eine grauenvolle "Erfindung" des deutschen "Fritz Haber", wie ich in dem eindrucksvollen Museum "In Flanders Fields" erfuhr. Museen zum Thema 1.WK gibt es in dieser Region zahlreiche, 3 davon habe ich dank meines britischen Reiseführers auch gefunden. Mein deutscher Reiseführer hatte diesbezüglich leider total versagt.

Die von mir besuchten Museen waren grundverschieden. Das schon erwähnte "In Flanders Fields Museum" überraschte mit seinem sehr modernen Ausstellungskonzept und einer äußerst interessanten Sonderausstellung zum Thema "Gas!"-Krieg. Multimedia- Präsentationen mit Geräuschkulissen im Hintergrund, Filmen, Vitrinen mit seltenen Relikten und viele Informationen (leider nur in) englischer und flämischer Sprache erzeugten bei mir einen starken und nachhaltigen Eindruck. Ein "Höhepunkt" war sicherlich ein dunkler, großer würfelförmiger Raum in dem ein unheimlicher Mix aus Licht, Dunkelheit, Stimmen, bewegten Bilder und beängstigenden Schlachtfeldgeräuschen die "Stimmung" auf dem Schlachtfeld nachahmte.
Als dann der aus Glasplatten bestehende Fußboden des Raumes zu "leuchten" begann und unter den Glasplatten ein nachgebildeter "Schlachtfeldboden" von 1915 erschien,
war ich froh, dass ich meine kleine Tochter zuhause in der Ferienwohnung gelassen hatte. Wieder im Jahr 2010 ange-kommen, zwang mich der Dauerregen die schöne Land-schaft auf der Fahrt zum nächsten Museum ausschließlich vom Auto aus zu genießen. Die Landschaft rund um die

ehemaligen Schlachtfelder von Ypern zeigte im Gegensatz zur "Mondlandschaft" bei Verdun keinerlei "Spuren" des 1. WK. Felder, vereinzelte Gehöfte, kleine Dörfer und auffallend viele Baumalleen bestimmten das Landschaftsbild.

Doch hin und wieder fand ich noch Reste des "großen Krieges". Vereinzelt hatten Bauern die Umzäunungen ihrer Viehweiden mit den mir aus Verdun altbekannten Stacheldraht-Haltern hergestellt. Eine friedliche Nutzung

der einst totbringenden Barrieren.

Das "Passchendaele Memorial Museum " im kleinen Ort "Zonnebeke" ist im Vergleich zum zuerst besuchten Museum in Ypern ein klassisches "Vitrinenmuseum" alter Schule. Zahlreiche Bodenfunde der Schlachtfelder rund um Zonnebeke, geordnet nach ihren Herkunftsländern lassen erahnen, welche Materialschlacht hier stattgefunden hatte.

 
Das Museum ist der "3. Schlacht von Ypern", der sogenannten "Passchendaele - Schlacht" von 1917 gewidmet. Hier kämpften die deutschen Soldaten gegen die Truppen
der Alliierten.

Erwähnenswert ist eine nachgebauteSchützengrabenanlage, die originalgetreu inkl. der unteridischen Räume ausgestattet war. Die uniformierten lebensgroßen und leicht angestaubten "Schaufensterpuppen"-Soldaten inmitten dieser Räume haben den realistischen Eindruck leider etwas beeinträchtigt. Weniger wäre hier mehr gewesen.

 

Im prasselndem Regen ging es dann zu meinem dritten Museumsbesuch. Das "Hill 62- Sanctuary Wood Museum". Mein englischer Reiseführer empfahl das private Museum insbesondere aufgrund der zugehörigen Außenanlagen. Hier sollten sich laut dem Reiseführer noch originale

"Baumleichen" aus der Zeit des 1. WK befinden. Außerdem sollte sich dort ein original erhaltenes englisches Schützen-grabensystem befinden. "Hill 62" war zur Zeit der Ypern-Schlacht die britischen Frontlinie.

Kurz vor diesem Museum besuchte ich den "Sanctuary Wood Cemetery". Ein kanadischer Soldatenfriedhof von 1918. Er war sehr schön angelegt und absolut ruhig gelegen.

 Das "Sanctuary Wood Museum" dicht hinter diesem Friedhof passte rein optisch überhaupt nicht zu seinem friedlichen Nachbarn und war in mehrerlei Hinsicht einzigartig. Von außen glich es eher einer Tankstelle oder einem schlechten Motel als einem Weltkriegs-Museum. Außer mir hatten sich nur 2 alte englische Damen dorthin verirrt. Vermutlich hatten sie den gleichen Reiseführer. Beim Betreten des Museums stand man zunächst vor einem großen Tresen bestückt mit 2 Bardamen, die auch gut zur Hamburger Reeperbahn gepasst

hätten. Der ganze "Gastraum" der "Kneipe" war zwischen den Tischen und Stühlen mit allerlei Kriegsutensilien und mit viel Kitsch und Krempel gefüllt.

 

Umgehend als Tourist entlarvt riefen die Damen mir sofort zu : "Museum ?- on the left side !". Ich bezahlte meinen Eintritt , ging durch die "Zugangskontrolle" und

stand in einem Raum mit wandhohen Vitrinen, gefüllt mit allen nur erdenklichen Relikten und Gegenständen aus dem 1. WK. Von Pistolen über Pickelhauben , Gewehren bis hin zu Gemälden und Skulpturen und zahlreichen SW-Fotos an den nicht mit Vitrinen zugestellten Wandbereichen. Alles war bunt durcheinander gemischt, ohne jegliche Information oder Beschriftung. Der folgende Raum war unglaublich.

Ähnlich der Ersatzteilhaufen bei den aus dem TV bekannten Schrottplatz- "Ludolfs" war hier Kriegsschrott aus Stahl und Eisen aufeinandergehäuft. Wiederum gab es keinerlei Information zu den Gegenständen und offenbar wurde hier auch eine Trennung zwischen 1. + 2. Weltkrieg nicht ganz so

ernst genommen. Die beiden englischen Damen kauften sich zu meiner Verwunderung an zwei zwischen all dem Schrott aufgestellten roten Automaten bunte Kaugummikugeln. Vermutlich waren diese auch aus der Zeit des 1.WK oder noch älter.

 

Das Außengelände hielt was der Reiseführer versprach. Zwischen allerlei aufgetürmten rostigen Granathülsenhaufen standen noch ca. 5-6 originale

Baumstümpfe aus der Zeit des großen Krieges. Vor dem möglichen Umstürzen und Zusammenfallen wurden die nicht vor Witterung geschützen "Leichen" z.T. mit allerlei Stahlträgern und Zement verstärkt.

In Verdun hatte ich lange nach solchen Zeitzeugen gesucht, und hier am "Hill 62" endlich gefunden. Es war beein-

druckend. Ebenso beeindruckend war auch das englische Stellungssystem- authentisch war auch der Regen und die

mit Schlamm gefüllten Gräben. Die im Gelände vorhandenen Granattrichter machten einen sehr "frischen" Eindruck auf mich und sahen mir etwas zu perfekt aus.

Hatte da jemand nachgeholfen ? Nicht erwähnenswert ist ein weiteres  "Museumsgebäude" auf dem Grundstück, hier wurden ohne Plan alle möglichen Utensilien und Uniformen sowie Plakate aus der Zeit des 1.WK ausgestellt. Nur etwas für echte Fans.

 

Nach diesem aufregenden Museumsbesuch beendete ich meinen Ausflug mit einem Abstecher zum bekannten deutschen Soldatenfriedhof "Langemark". Das Besondere dieser Anlage war, dass der Friedhof direkt neben den

ehemaligen (nicht mehr zugängigen) Bunkeranlagen errichtet wurde. Der Zugang zum Friedhof war sehr modern und ansprechend gestaltet . Es handelte sich um einen Weg entlang einer schwarzen Wandscheibe, die dann in einen "Tunnel" überging. Der "Tunnel" aus schwarz eingefärbtem Beton mit in den Wänden integrierten Bildschirmen auf denen originale SW-Filmdokumente von Beerdigungen aus den Kriegsjahren gezeigt wurden.

Im Anschluss an den Tunnel durchquerte man eine längere Baumallee und erst dann betrat man das Portal des Friedhofes.

 Im Gegensatz zu den mir bekannten Friedhöfen bei Verdun hatte ich auf beiden besuchten Friedhöfen keine Anein-anderreihung von zahllosen Kreuzen gesehen. Die Namen der Gefallenen standen hier lediglich auf Steinplatten die z.T. aufrecht aufgestellt waren oder auch flach auf dem

Rasen platziert waren. Es wurden hier insgesamt ca. 45.000 Soldaten beerdigt.

 

Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen und bei Sonnen-schein fuhr ich zurück, allerdings nicht ohne noch einen kurzen Stop bei "Diksmuide" einzulegen. Dort stand das weit sichtbare turmartige "Ijzermonument", ein Mahnmal

für den Frieden.

Später hatte ich in dem britischen Reiseführer nachgelesen, dass der von mir spontan durchgeführte und völlig unvorbereitete Ausflug eigentlich das Programm von 3 Tagestouren beinhaltete.

 

Ich kann nach Abschluss meiner kurzen Tour jedem, der an der Geschichte des 1. WK interessiert ist empfehlen neben Verdun auch unbedingt die Gegend um Ypern zu besichtigen.

 

 

Jens Walko, im Juni 2010

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